Die Rettung der Edelkastanie

Edelkastanie Frucht
Foto: Boehringer Friedrich

Ein Pilz bedroht wertvolle alte Kastanienhaine. Um ihn zu bekämpfen, spannen Forschung und Praxis zusammen und erproben neue Behandlungsmethoden.

Kastanienwälder sind typisch fürs Tessin. Doch die Edel- oder Esskastanie wächst auch auf der Alpennordseite. Bis in die 1950er-Jahre diente sie als «Brotbaum der Armen», geriet dann aber in Vergessenheit. Nun erlebt sie ein Revival: Beispielsweise hat die IG Pro Kastanie Zentralschweiz in den letzten zwölf Jahren viele verwilderte Kastanienhaine um den Vierwaldstättersee instand gesetzt, etwa in der Chestenenweid bei Weggis (LU). Die bis zu 150 Jahre alten Bäume wurden geschnitten, es wurden neue gepflanzt und das Gelände von Gebüsch befreit.

Um eine neue Behandlungsmethode zu testen, befestigt Forstwissenschaftler Emanuel Helfenstein ein Holzstück mit virusinfizierten Pilzsporen an einer erkrankten Kastanie. Bild: Francesca Dennert, WSL

Doch die Edelkastanien der Alpennordseite sind durch eine tödliche Krankheit bedroht, den Kastanienrindenkrebs. Dieser wird durch den Pilz Cryphonectria parasitica verursacht, der die Rinde befällt und Äste oder ganze Bäume zum Absterben bringt. «Auch in der Chestenenweid sind schon 40 Prozent der Kastanien infiziert», schätzt Emanuel Helfenstein, Forstwissenschafter und Projektleiter bei der IG Pro Kastanie Zentralschweiz. Um die Bäume zu retten, gibt es derzeit nur eine wirksame Methode: die biologische Bekämpfung des Pilzes. Dazu verwendet man ein Virus, das den Pilz natürlicherweise befällt und ihn schwächt. In der Folge heilen die erkrankten Stellen – die sogenannten Krebse – aus, und die Bäume überleben. Während sich das Virus auf der Alpensüdseite von selbst verbreitet hat, muss nördlich der Alpen nachgeholfen werden.

«Die biologische Bekämpfung funktioniert gut», sagt Simone Prospero, Mitarbeiter in der Gruppe Phytopathologie der WSL. Zusammen mit seiner Kollegin Francesca Dennert führt er im Auftrag verschiedener Kantone Behandlungen durch. Dazu isolieren die Forschenden den jeweiligen Pilzstamm aus der Rinde einer infizierten Kastanie. Im Pflanzenschutzlabor der WSL übertragen sie in mehreren Schritten das schwächende Virus in den Pilz. Anschlies­send vermehren sie diesen zu einer Art Pilzpaste. Nun folgt die Anwendung: In Stamm oder Äste der ursprünglichen Kastanie werden um die infizierte Stelle kleine Löcher gebohrt und die Pilzpaste wird hinein gefüllt. Das Virus überträgt sich auf den Pilz im Baum, sodass der Rindenkrebs nach Monaten bis Jahren ausheilt.

Aufwändige Behandlung

«Das Applizieren der Paste ist zwar nicht schwierig, aber aufwändig», sagt Helfenstein, der selbst Behandlungen im Feld durchführt. Für einen Baum benötigt er oft mehr als eine Stunde. Um die Anwendung einfacher und schneller zu machen, testet die WSL neue Methoden, unter anderem ein Pilzspray. Zudem läuft in der Chestenenweid derzeit ein Forschungsprojekt, das die IG Pro Kastanie angeregt hat. Darin untersuchen die WSL-Forschenden in Zusammenarbeit mit Helfenstein die Wirkung von Holzstücken, auf denen sich Pilzsporen mit dem Virus befinden. Diese werden einfach an Äste oder den Stamm von Kastanien gebunden. «Die Idee dahinter ist, dass der Regen die Sporen auswäscht und diese so in die Rinde gelangen, wo sie das rettende Virus übertragen», sagt Prospero.

Vorgängige Tests waren vielversprechend. «Doch ob die Methode wirklich funktioniert, werden erst die Versuche in der Chestenenweid zeigen», sagt Prospero. Von diesen profitieren beide Seiten: Die WSL, weil sie für ihre Forschung auf geeignete Testgelände angewiesen ist; die IG Pro Kastanie Zentralschweiz, weil die Forschungsresultate den Kampf gegen den Rindenkrebs erleichtern und so zur Rettung der Kastanien auf der Alpennordseite beitragen können.

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