2 Mio. Franken. Damit fördert der Bund jährlich Hochstamm-Obstbäume. Denn diese prägen das Landschaftsbild und sind gut für die Biodiversität; sie bieten Lebensraum für Vögel, Insekten sowie weitere Tiere. Geld erhalten die Bauern für ihre Hochstammbäume nur, wenn diese eine Reihe von Anforderungen erfüllen. So schreibt der Bund exakt vor, wie lang der Stamm mindestens sein muss (1,2 m beim Steinobst, 1,6 m bei den übrigen Obstsorten), wie viele Seitentriebe es oberhalb der Stammhöhe mindestens braucht (drei), wie viele Bäume maximal auf einer bestimmten Fläche stehen dürfen und in welchem Abstand. In einem Punkt bleibt der Bund jedoch vage: Der Pflege der Bäume. Bei der Qualitätsstufe II wird zwar ein „fachgerechter Schnitt“ vorgeschrieben, bei der weniger strengen Qualitätsstufe I hingegen fehlt ein solcher Passus.
Grifferige Regeln
Ab nächstem Jahr soll sich das ändern. Das Bundesamt für Landwirtschaft (BLW) will die Pflege von Hochstammbäumen verbindlicher und präziser regeln. So soll in der Direktzahlungsverordnung explizit eine obligatorische, fachgerechte Baumpflege für alle beitragsberechtigten Bäume festgeschrieben werden. Will heissen: Bauern sind demnach verpflichtet, für einen korrekten Aufbau der Baumkrone zu sorgen, die Bäume fachgerecht zu schneiden, Mäuse sowie besonders gefährliche Schadorganismen zu bekämpfen. Dieser Vorschlag befindet sich derzeit in der Vernehmlassung.
Die regelmässige Pflege soll für gesündere Bäume sorgen, wovon man sich einen geringeren Schädlingsdruck auf Obstanlagen erhofft. Obstproduzenten haben sich in der Vergangenheit wiederholt darüber beklagt, dass sich auf ungepflegten Hochstamm-Obstbäumen Schädlinge und Krankheiten vermehren könnten, und von da zur Gefahr für ihre Anlagen würden. Das Thema hat mit der aus Asien eingewanderten Kirschessigfliege zusätzliche Brisanz gewonnen.
Das BLW will mit den präziseren Regeln zudem verhindern, dass Bäume nur wegen der Beiträge gepflanzt, aber nicht gepflegt werden und damit für die Biodiversitätsförderung kaum geeignet sind. Laut Victor Kessler, Leiter Fachbereich Direktzahlungsprogramme beim BLW, habe es in dieser Hinsicht teils Auswüchse gegeben in der Vergangenheit. „Wir wollen nicht, dass Hochstammbäume einzig zur Beitragsoptimierung gepflanzt werden. Deshalb wollen wir besser hinschauen“, erklärt Kessler.
Branche begrüsst Verschärfung
In der Branche kommt die vorgeschlagene Pflege-Pflicht gut an. „Aus Sicht der produzierenden Hochstammbauern begrüssen wir den Vorschlag des Bundes“, sagt Stephan Durrer, Geschäftsführer von Hochstamm Suisse. Bäume nicht zu pflegen sei im Zeitalter der Kirschessigfliege ein No-Go. Nur auf gesunden Bäumen mit einem minimalem Pflanzenschutz liesse sich Obst produzieren. Nicht gepflegte Bäume würden über kurz oder lang absterben, gibt Durrer zu bedenken.
Auch der Schweizer Obstverband (SOV) begrüsst den Vorschlag des Bundes. „Wir haben in der Vergangenheit wiederholt gefordert, dass nur fachgerecht gepflegte Hochstammbäume Beiträge des Bundes erhalten sollten“, sagt SOV-Direktor Georg Bregy. In Bezug auf den Pflanzenschutz und Schaderreger wie etwa Feuerbrand oder Kirschessigfliege sei dies besonders wichtig.
Auch bei BirdLife Schweiz stossen die Vorschläge des Bundes auf Wohlwollen. „Wir begrüssen eine Pflege-Pflicht. Uns ist es wichtig, dass zu den Bäumen geschaut wird“, sagt Pascal König, Projektleiter Landwirtschaft. Denn nur gesunde, gepflegte Hochstammbäume könnten alt werden und gerade alte Bäume seien ein sehr wertvoller Lebensraum für Tiere und Pflanzen.
Sinkt der Bestand?
Der Bestand an Hochstamm-Bäumen hat in den letzten Jahren wieder leicht zugenommen, nachdem er sich während Jahrzehnten nur eine Richtung entwickelte: nach unten. Wie sich eine Pflege-Pflicht auf die Anzahl Hochstammbäume entwickeln wird, ist unklar. Kritisch könnte es vor allem bei der Qualitätsstufe I werden, zu welcher die Mehrzahl der direktzahlungsberechtigen Bäume gehören. Für solche Bäume zahlt der Bund 13,50 Franken pro Jahr. Eine umfassende Pflege, wie sie der Bund nun verlangt, wird sich für Bauern wohl kaum mehr einzig wegen der Beiträge lohnen, sondern nur, wenn die Früchte gewinnbringend vermarktet werden können. Diesbezüglich sieht es bei Äpfeln am besten aus, weil es dank der Apfelsaftsaft-Produktion eine grosse Nachfrage nach Mostobst gibt. Schlechter ist es um Kirschen und Zwetschgen bestellt. Denn beim Steinobst sind die Absatzmärkte in den letzten Jahren stark geschrumpft und mit ihnen die Preise.
„Es besteht durchaus ein gewisses Risiko, dass der Bestand sinkt“, sagt Victor Kessler vom BLW. Auch Stephan Durrer und Pascal König halten dies für ein mögliches Szenario. Wichtig sei, betonen beide, dass der Preis für Hochstammobst attraktiv bleibe, weil dann die Bauern auch automatisch die Bäume pflegen würden. Denn klar ist: Qualitativ hochwertige Früchte wachsen nur auf gesunden und gepflegten Bäumen.
Quelle: Michael Wahl, Landwirtschaftlicher Infodienst