Hoher Schädlingsdruck befürchtet

Die Schweiz blickt auf den wärmsten Winter seit Messbeginn zurück. Die Auswirkungen auf Obst, Gemüse, Getreide und Wein halten sich bisher in Grenzen. Doch der Schädlingsdruck könnte steigen und Spätfrost für Probleme sorgen.

Die Schweiz blickt auf den mildesten Winter seit Messbeginn 1864 zurück. Laut dem Klimabulletin von Meteo Schweiz für den Winter 2019/20 steigt die durchschnittliche Wintertemperatur auf 0,7 Grad Celsius. Das liegt knapp drei Grad über dem Winterdurchschnitt von 1981 bis 2010.

Parallel dazu hat sich auch der Niederschlag stark verändert. Die meisten Gebiete in der Schweiz erhielten über den Winter zwar ausreichend Niederschlag, teilweise sogar mehr. Doch war dieser sehr ungleich verteilt. Nachdem der Januar mit Sonnenscheinrekorden sehr trocken war, brachte der Februar gebietsweise Niederschlagsmengen, die 250 Prozent über dem Durchschnittswert lagen. Diese massiven Veränderungen gehen auch an den Produzenten von Getreide, Gemüse und Obst sowie an den Winzern nicht spurlos vorbei.

Getreidefelder sehen gut aus

Fritz Glauser ist Präsident des Schweizerischen Getreideproduzentenverbandes (SGPV) und bewirtschaftet nach Bio Suisse Richtlinien Getreidefelder in Châtonnaye auf 720 Metern über Meer. Nach einem Rundgang zeigt sich Glauser zufrieden, Überwinterungsschäden seien keine sichtbar. «Es kommt jetzt auf den weiteren Vegetationsverlauf an. Dies wird auch entscheiden, ob nötige Massnahmen, wie bei konventionellen Betrieben beispielsweise der Pflanzenschutz oder mechanische Unkrautbekämpfung zu den idealen Momenten durchgeführt werden können», sagt er.

Trotzdem gebe es einen Unterschied zu strengeren Wintern. «Das Anwalzen der Pflanzen ist in diesem Jahr nicht nötig, es sei denn diese Massnahme wird durchgeführt, damit die Ähren mehr Seitentriebe entwickeln», sagt Glauser. Normalerweise würden die Getreidepflanzen um diese Jahreszeit gewalzt, also in die Erde zurückgedrückt, damit der Wurzelfluss nach der Winterperiode wieder schneller zum Laufen komme. Denn durch den Wechsel von Frost- und Tauperioden verlieren die Pflanzen durch leichtes Anheben den Kontakt mit der Erde. Dieses Phänomen hat sich in diesem Jahr nicht gezeigt.

Weiterer Witterungsverlauf entscheidend

Auch der Geschäftsführer des SGPV, Pierre-Yves Perrin, zeigt sich trotz des zu warmen Winters zufrieden. «Die Getreidefelder sehen generell gut aus. Auch diejenigen, die spät gesät wurden, haben sich gut erholt», sagt er. Aufgrund der grossen Niederschlagsmengen in der ersten Märzhälfte würden einige Parzellen zwar noch Überschwemmungszonen zeigen, wo kein Getreide mehr wachsen werde, doch seien diese Probleme begrenzt. Ebenfalls begrenzt bleiben sollten laut Perrin die Probleme aufgrund von Krankheiten oder Schädlingen – dies dank resistenten Schweizer Sorten. «Eine lange Trockenheit in den kommenden Wochen könnte zu mehr Schäden führen als der warme Winter», sagt Perrin.

Früherer Saisonstart beim Gemüse

Die Gemüseproduzenten konnten einige Kulturen, beispielsweise Salat, früher als sonst ins Freiland pflanzen, sagt Markus Waber, stellvertretender Direktor des Verbandes der Schweizer Gemüseproduzenten. «Für die kommende Saison kann man aber noch keine Prognose machen. Ein eventueller kalter Frühling, zu heisser Sommer oder zu nasser Herbst können den Verlauf der Saison laufend ändern», sagt er.

Ebenfalls zeigen wird sich, ob der Schädlingsbefall höher ist als in anderen Jahren. «Grundsätzlich werden Schädlinge bei wärmeren Temperaturen aktiv. Treten diese früher ein, werden auch die Schädlinge früher aktiv», sagt Waber. Im schlimmsten Fall komme es zu mehreren Populationen. Deshalb sei es wichtig, dass die Gemüseproduzenten eine gute Feldhygiene hätten und ihre Kulturen regelmässig kontrollieren würden, sagt er.

Frühe Aprikosensorten bereits in Vollblüte

Auch auf die Obstproduktion hat die fortgeschrittene Vegetation Auswirkungen. «Die Vegetation ist rund zwei Wochen fortgeschrittener als in der Norm. Im Moment hat dies noch keine Auswirkungen und ist auch abhängig vom weiteren Verlauf der Temperaturen», sagt Beatrice Rüttimann vom Schweizer Obstverband. In Martigny im Kanton Wallis stünden beispielsweise frühe Sorten der Aprikosen bereits jetzt in Vollblüte. So lange die Temperaturen nicht weit in den Minusbereich sinken, habe dies keine Auswirkung. «Kommt es zu Frostperioden können die Früchte oder Blüten mit der Bewässerung der Baumkrone geschützt werden», erklärt Rüttimann.

Ähnlich wie bei den Gemüseproduzenten rechnet auch sie mit der Gefahr, der Ausbildung mehrerer Generationen von Schädlingen. «Es ist möglich, dass wir vermehrt Probleme mit dem Apfelwickler oder der Marmorierten Baumwanze haben werden», sagt sie. Bedingung hierfür sei aber nicht nur ein früher Vegetationsbeginn, sondern warme Temperaturen im weiteren Jahresverlauf.

Reben mögen es warm

Auch die Weinproduzenten erwarten aktuell keine grossen Unterschiede zu anderen Jahren. «Doch fehlen uns dazu in der Schweiz auch schlicht die Erfahrungen», sagt Robin Haug, Vorstandsmitglied des Schweizer Weinbauernverbands (FSV). Die hiesigen Weinreben jedoch kommen ursprünglich aus dem Kaukasus, einer sehr warmen Region, erklärt Haug. Der warme Winter war also ganz nach dem Geschmack unserer Rebstöcke.

Auch bei den Reben besteht ein grösseres Risiko eher im zu frühen Austrieb. Ab diesem Zeitpunkt müsse man bereits ab Tiefsttemperaturen von minus zwei Grad mit Frostschäden rechnen, sagt Haug. Dies alles wird sich aber erst in den nächsten Wochen zeigen.

Pilzkrankheiten machen Sorgen

Daneben sind es vor allem Pilzkrankheiten, die den Winzern Sorgen machen. Denn aufgrund des warmen Winters könnten Pilzkrankheiten wie der Echte und der Falsche Mehltau etwas höhere Sporenzahlen haben. «Das Wetter während des Wachstums ist jedoch entscheidender als die Temperatur während des Winters», sagt Haug.

Am ehesten habe der Winter einen Einfluss auf die Insektenpopulation. «Möglicherweise müssen wir mit einer höheren Population an Traubenwicklern rechnen», sagt der Winzer. Da die Population durch Verwirrungstechnik in den letzten Jahren aber sehr tief war, rechne er aber auch bei diesem Schädling nicht mit einem grossen Problem. Das gleiche gelte für die Entwicklung der Kirschessigfliegenpopulation. Erst das Sommerwetter werde zeigen wie sich die Situation entwickelt.

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