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Donnerstag, Oktober 16, 2025

Mini-Kiwis: Exoten vom Bodensee

Schnip-schnip-schnip – die zwei Handvoll Frauen und Männer schneiden mit spitzen Scheren geschickt die drei- bis vier Zentimeter grossen, länglichen Mini-Kiwis von den geernteten ganzen Rispen. Die Rispen, welche am gleichen Morgen auf dem Hof von Urs Wehrle im thurgauischen Freidorf geerntet wurden, erinnern ein bisschen an eine Traubenrispe mit überdimensionierten Früchten. Die Arbeit geht den saisonalen Angestellten leicht von der Hand, die einzelnen kugeligen oder länglichen grünen Früchte rollen aufs Förderband und werden ein paar Meter weiter hinten von flinken Händen abgewogen und in durchsichtige Plastikschalen verpackt.

Die Frauen und Männer arbeiten konzentriert und exakt, die delikaten Früchtchen dürfen nicht verletzt werden. Wenn die Früchte einzeln am Strauch geerntet würden, könnten sie sich mit ihren holzigen Stielen gegenseitig verletzen. Deshalb habe sich die Rispenernte und das spätere Konfektionieren bewährt, erklärt Wehrle weiter. Die äusserst vitaminhaltigen Früchte werden ausschliesslich von Hand geerntet.

Kürzere Wege und bessere Lagerung

Einmal wöchentlich werden die Früchte auf dem Betrieb abgeholt und ins Kühlhaus nach Hüttwilen gebracht. In einigen Tagen werden die Wege aber kürzer, die Abläufe einfacher und professioneller und die Arbeitsbedingungen für die Angestellten besser. Im neu erstellten Aufbereitungszentrum, das neben seinem Hof entsteht, werden die letzten Arbeiten erledigt. Geplant war, dass die Räumlichkeiten auf die neue Saison bezugsbereit sind. Urs Wehrle lässt sich dadurch nicht aus der Ruhe bringen, bald will er mit seinem Team die neuen Räume beziehen.

Auch andere Produzenten lassen ihre Mini-Kiwis von Urs Wehrle und seinem Team weiterverarbeiten. «Wir streben einen hoch professionellen Ablauf der Lagerung und Konfektionierung an, denn was nützt es uns, hervorragende Früchte zu produzieren, wenn es bei den nächsten Schritten hapert», sagt der Landwirt.

Mini-Kiwis müssen bewässert werden

Die ersten asiatischen Mini-Kiwis wurden in den 80er Jahren auf dem Bildungs-und Beratungszentrum Arenenberg kultiviert. Pionier jedoch war Markus Keller aus Truttikon im Zürcher Weinland. Vor 25 Jahren gewann er mit dem Anbau von Mini-Kiwis auch den Schweizerischen Agropreis. Schweizweit gibt es heute 32 Produzenten. Die Bodenseeregion mit dem milden Seeklima liegt heute mit 20 Produzenten an der Spitze. In den vergangenen Jahren wurden durchschnittlich 23 Tonnen geerntet, in diesem Jahr wird sich die Zahl voraussichtlich verdoppeln. Der heisse Sommer hat die exotischen Früchte überaus üppig wachsen lassen, sofern bewässert wurde.

Damit sich die kleinen Kiwi-Beeren auch schweizweit vermarkten lassen, haben Produzenten zusammen mit der Landi Hüttwilen im vergangenen Jahr im Rahmen des Projekts Regionale Entwicklung (PRE) den Verein IG Mini-Kiwi gegründet. Den Initianten schien es besonders wichtig, ein Aufbereitungs- und Vermarktungszentrum zu bauen und die Zusammenarbeit mit Thurgau Tourismus zu intensivieren, um die Frucht und damit die Landwirtschaft bei der Bevölkerung erlebbar zu machen und mit Emotionen zu besetzen. «Nur wer unsere süssen Mini-Kiwis kennt und sie schon gekostet hat, kauft sie auch», ist Urs Wehrle überzeugt.

Bund und Kanton beteiligen sich

Mit den Zielsetzungen die Wirtschaftlichkeit zu fördern, die Wertschöpfung in der Region zu behalten und die Vermarktung voranzutreiben, hat der Bund anfangs Jahr das erste Thurgauer PRE bewilligt und beteiligt sich mit einem Fünftel an den budgetierten Gesamtkosten von 760 000 Franken. Auf dem Hof von Urs Wehrle steht das neue Aufbereitungszentrum vor Vollendung, bei Andreas Eberle in Altnau wird die betriebseigene Infrastruktur erweitert und einen Hofladen integriert. Zudem soll eine Sortenprüfanlage zu Forschungs- und Entwicklungszwecken angelegt werden.

Urs Wehrle ist überzeugt, dass die kleinen Beeren, die ursprünglich aus Ostasien stammen und ähnlich schmecken wie ihre grosse Schwester, die behaarte Kiwi, optimal ins hiesige Früchtesortiment passen. Nicht zuletzt, weil sie eher spät reifen und erst ab Mitte/Ende August genussreif sind. Mit einer optimalen Lagerung können die Konsumenten problemlos bis Mitte/Ende Oktober mit Mini-Kiwis bedient werden.

Wehrle bedauert, dass sich die Gastronomie noch etwas schwertut, die grüne, von aussen eher unscheinbare Frucht vermehrt zu kredenzen. Da haben wohl die farbigen Früchte wie Johannis- und Himbeeren eher die besseren Karten, doch hinsichtlich Aroma, Geschmack und Vitamingehalt haben die Mini-Kiwis eindeutig die Nase vorn, ist Wehrle überzeugt.

Bis 30 Kilo pro Pflanze

Im dritten Jahr nach der Pflanzung kann mit den ersten Früchten, ab dem fünften bis sechsten Jahr mit einem Vollertrag gerechnet werden. Die Mini-Kiwis reifen von August bis September. Mit dem Anbau mehrerer Sorten an mehreren Standorten kann die Ernte gestaffelt werden. Es werden nicht alle Früchte gleichzeitig reif, können aber nach der Ernte gut nachreifen. Essreife Früchte sind weich. Die Reifeperiode einer Sorte ist mit rund zwei bis drei Wochen sehr kurz. Mini-Kiwis müssen während des Sommers bewässert werden können. Bei guten Sorten kann mit einem Vollertrag von 10 bis 30 Kilogramm pro Pflanze gerechnet werden. Der Ertrag liegt bei sechs bis zehn Tonnen pro Hektare. Auf den Markt kommen sie in 125 Gramm-Einheiten.

QuelleLID

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