Weiterhin Alarmstufe rot für den Buchsbaum

Schadbild Buchsbaumzünsler

Der sich schnell ausbreitende, invasive Buchsbaumzünsler hat Buchsbäume in vielen Gärten und Parks, aber auch an Naturstandorten in Europa dezimiert. Seine wirtschaftlichen, ökologischen und gesellschaftlichen Auswirkungen sind beträchtlich, und die Hoffnungen auf eine bessere Schädlingsbekämpfung beruhen auf zusätzlicher Forschung und klassischer biologischer Kontrolle.

Marc Kenis, der Leiter der Abteilung Risikoanalyse und Invasionsökologie bei CABI (Internationales Center für Landwirtschaft und Biowissenschaften) gab bei einem Webinar eine düstere Prognose ab: «Der Buchsbaumzünsler könnte innerhalb von zehn bis 20 Jahren fast alle einheimischen Buchsbaumbestände in Europa vernichten“.

Die Gattung Buxus wird in Europa in erster Linie als Zierpflanze mit den Arten Buxus sempervirens und Buxus microphylla sowie mit zahlreichen Kultursorten als Hecken, Solitärpflanzen oder zum Formschnitt verwendet. Buxux sempervirens und den balearischen Buxus balearica findet man auch häufig an Naturstandorten, vorwiegend in Südeuropa.

Nun ist es so, dass neben dem Buchsbaumzünsler (Cydamila perspectalis) auch das Buchsbaumtriebsterben (Cylindrocladium buxicola) nicht nur die natürlichen Bestände in ihrer Existenz bedrohen, sondern der Buchsbaum verliert auch zunehmend seine bedeutende Position unter den Formgehölzen.

Aber auch andere Pflanzen sind indirekt von den massiven Schäden des invasiven Schmetterlings betroffen. So wurde 2018 in einem Artikel des Fachblattes der Cyclamengesellschaft der Rückgang der in Ostfrankreich und dem angrenzenden Schweizer Jura beheimateten Sommer-Alpenveilchens (Cyclamen purpurascens) festgestellt. Und dies als direkte Folge der Schädlingseinwirkung. Durch den Kahlfrass und dem Absterben vieler Pflanzen haben sich die Lichtverhältnisse im einstigen Buchsunterhholz stark verändet.

Im kaukasischen Raum, der Heimat des Kolchischen Buchsbaumes (Buxus colchica) sind grosse natürliche Bestände kahlgefressen. Man muss dies unter dem Gesichtspunkt betrachten, dass der dort heimische Buchsbaum grosse kulturelle Bedeutung hat und fest in den Traditionen verankert ist. Das sind nur zwei Beispiele welche enormen Auswirkungen das Auftauchen des Buchsbaumzünslers in Europa hat.

Der Buchsbaum europaweit unter Druck

„Der Falter kam erstmals 2007 durch versehentliche Einschleppung in die Niederlande und nach Deutschland. Damals haben diese Länder den Angaben zufolge mindestens eine Million Buchsbäume aus China importiert, ohne aber auch den regen Handel mit Buchsbäumen zwischen Belgien, China und Italien zu erwähnen. Gegenwärtig befällt die Motte fast ganz Europa und den Kaukasus und richtet in Zierpflanzen und wilden Buxus-Arten, insbesondere dem europäischen Buchsbaum (Buxus sempervirens), verheerenden Schaden an.“  so Marc Kenis weiter in dem Webinar.

Auf folgender Karte ist die Ausbreitung des Schädlings in nur neun Jahren eindrücklich dargestellt.

Verbreitungskarte Buchsbaumzünsler
(Visuals: Bras et al 2019, Journal of Pest Science).

Entwicklungsstadien des Buchsbaumzünslers

Am CABI-Forschungsinstitut im schweizerischen Délémont (südwestlich von Basel) haben Kenis und seine Kollegen den invasiven Schädling unter die Lupe genommen.

Er erklärt: „Bei uns in der Nordschweiz hat der Buchsbaumzünsler zwei Generationen, und das dürfte auch in Belgien und den Niederlanden der Fall sein, wo sich die klimatischen Bedingungen nicht großartig unterscheiden. In Nordeuropa gibt es eine unproblematische einzige Generation, während in Südeuropa die dritte oder vierte Generation schwere Schäden verursacht.

Ruape Buchsbaumzünsler
Larve des Buchsbaumzünslers

„Das häufigste Muster sind zwei Generationen. Der Buchsbaumzünsler überwintert als Larve im dritten Stadium in einem Kokon, und alle Larvenstadien sind in der Lage, eine Diapause einzulegen: Eine zeitweilige Unterbrechung der Entwicklung mit einer drastischen Einschränkung des Energie- und Stoffbedarfs zur Überwindung ungünstiger Klimaperioden und je nach Art in jedem Entwicklungsstadium des Organismus (Ei, Larve, Puppe, Imago) auftreten kann.

Die überwinternden Larven beginnen Anfang bis Mitte des Frühjahrs zu schlüpfen und fressen, bis sie sich im Juni verpuppen. Das Puppenstadium ist kurz, die Motte ist im Juni oder Juli flügge. Die Falter legen darauf ihre Eier und es braucht nur drei Tage bis die Larven schlüpfen. Kenis merkt an: „Dies markiert die Ankunft der zweiten Generation, die in der Regel im September flügge ist. In Südeuropa gibt es mehrere sich überschneidende Generationen“.

Sechs bis sieben Larvenstadien ernähren sich von den Blättern und Trieben des Buchsbaums, und ein starker Befall kann zur vollständigen Entlaubung der Pflanzen oder sogar zum Absterben führen. Die Larven skelettieren in der Regel die Blätter und verzehren das gesamte Blatt bis auf die Mittelrippe.

Kenis erläutert: „Wenn der Baum vollständig entblättert ist, fressen sie auch die Rinde, was die Chance auf ein erneutes Wachstum einschränkt.

Die jungen Raupen sind nicht nur unersättliche Fresser, sondern auch sehr wählerisch. „Sie ernähren sich ausschließlich von Buchsbaum und haben keinen Appetit auf Ilex oder Euonymus, sind also sehr gattungsspezifisch. Sie verpuppen sich meist auf den Zweigen zwischen den Blättern, auf dem Boden oder bei totaler Entlaubung auf anderen Pflanzen“.

Laut Kenis sind Buchsbaumzünsler gute Flieger, die die frühe Dämmerung bevorzugen, um ihre Flügel auszubreiten. Sie können sich schnell zu Tausenden versammeln. Es gibt Berichte über Pheromonfallen auf Terrassen, die sich innerhalb von 20 Minuten füllen.

Schäden am Buchsbaum gravierend und auf die Dauer unumkehrbar

Buchsbaumzünsler dezimieren alle Vorkommen von Buchsbäumen. Kenis räumt ein: „Es kann sehr schnell gehen, und eine Generation – normalerweise nicht die erste – frisst Ihre Hecke bis August auf. Das Ausmaß des Schadens hängt stark vom Klima ab. Unsere Stadt Délémont bietet ein interessantes Beispiel, da die Temperaturen in den umliegenden Hügeln mit einheimischen Buchsbaumbeständen deutlich niedriger sind. Die Art wurde in unserer Gegend erstmals 2010 entdeckt, obwohl unser Buchsbaumwald bis 2016 noch intakt war. Jetzt ist er aufgrund der aufeinanderfolgenden Hitzewellen der letzten fünf Jahre zerstört, so dass der Schädling eine zweite Generation bilden konnte.

Ich vermute, dass die Situation in den Niederlanden, Belgien und dem Vereinigten Königreich ähnlich ist“, sagt Kenis, der die Software Climex verwendet, die auf Simulations- und Modellierungstechniken basiert, um die ökoklimatische Eignung und die Anzahl der Generationen des Buchsbaumzünslers zu bestimmen. Diese Untersuchungen deuten darauf hin, dass Südfrankreich und Norditalien die günstigsten Standorte für den Buchsbaumzünsler sind.

Überleben Buchsbäume eine vollständige Entlaubung?

In der Anfangsphase des Befalls wachsen die meisten Bäume wieder nach, versichert Kenis. „Wenn sich die Motte von der Rinde ernährt hat, treibt der Baum nur an der Basis aus und wächst nach. Normalerweise wachsen die Bäume wieder nach. Studien haben ergeben, dass Bäume nach einer vollständigen Entlaubung eine Überlebenschance von 30 bis 60 Prozent haben. Die Überlebensrate sinkt jedoch mit jeder weiteren Entlaubung.

In der Natur führt die Motte fünf bis acht Jahre nach der vollständigen Entlaubung zum Absterben der Pflanzen, je nachdem, wie viele Generationen die Motte pro Jahr hat. Wir befürchten, dass es in zehn bis 20 Jahren in Europa außer in einigen Bergregionen keine einheimischen Buchsbaumbestände mehr geben wird.

Auswirkungen auf die Ökonomie

Bei der Berechnung der wirtschaftlichen Auswirkungen der Buchsbaumzünsler geht Kenis davon aus, dass die Verbraucher die Hauptlast tragen und nicht die produzierenden Betriebe.

Er führt aus: „Die Baumschuler werden alternative Pflanzen anbauen und verkaufen. In der Zwischenzeit müssen die Gartenbesitzer weiter spritzen. Es ist schwierig, einen einmal befallenen Baum in Schuss zu halten. Aber ich möchte die schwerwiegenden Auswirkungen auf die kommerziellen Züchter, die von diesem Schädling betroffen sind, nicht herunterspielen. Ich kenne einige spezialisierte Buchsbaumzüchter, die alle ihre Kunden verloren haben, weil die Leute keinen Buchsbaum mehr kaufen. In meiner Region wurden bis zu 80 Prozent des Buchsbaums in den Gärten entfernt.

Noch mehr fürchtet Kenis den katastrophalen Zusammenbruch der Ökosysteme der Natur. Buchsbaumwälder als Ökosysteme werden bald verschwinden, und Buxus balearica im kaukasischen Raum wird am Rande des Aussterbens stehen.

Kenis führt weiter aus: „Zwar hat er nun auch diese Art befallen, aber die Frage ist, was mit den mehr als 20 Buchsbaumarten in Mittelamerika oder den beiden einheimischen Buchsbäumen in Puerto Rico geschehen wird. Bislang weiß niemand, wie anfällig sie für die Motte sind. Das ökologische Aussterben hat auch Auswirkungen auf die Artenvielfalt. Allein auf Buxus sempervirens entwickeln sich 132 Pilze, 12 Chromista (Einzeller), 98 wirbellose Tiere und 44 Flechten, die gefährdet sind. Und wilder Buchsbaum schützt oft Hänge und Ufer vor Erosion.

Auch kulturelle Auswirkungen sind zu befürchten

Der Buchsbaum ist ein sehr langsam wachsender Baum, dessen robustes Holz für kulturelle, religiöse und praktische Zwecke verwendet wird. Buchsbaum eignet sich zum Beispiel sehr gut zum Schnitzen und Drechseln. So wird Buchsbaum häufig für Schnitzereien, Schachfiguren, Musikinstrumente, Kämme und Löffel verwendet. In der katholischen Religion ist es üblich, Buchsbaumzweige am Palmsonntag zu segnen. Buchsbaum wird weltweit für die prächtigsten Formen der Formschnittkunst verwendet. Im Kaukasus wird Buchsbaum zu medizinischen Zwecken verwendet, und er dient auch als Matratzenfüllung.

Kenis sagt: „Vor allem in der Schwarzmeerregion sind die gesellschaftlichen Auswirkungen groß, und die Menschen sind sehr besorgt über das Verschwinden ihres Buchsbaumwaldes. Der wirtschaftliche und gesellschaftliche Wert von Buchsbaum ist wichtiger als in Europa“.

Biologische Kontrolle

Bei einem winzigen Befall kann das Absammeln der Raupen von Hand wirksam sein. Kenis sagt: „Alternativ können die Menschen ihre Buchsbäume fällen und durch immergrüne Laubbaumarten wie Ilex crenata, Euonymus japonica, Lonicera nitida oder durch Mitglieder der Buchsbaumfamilie selbst wie Sarcococca, der unempfindlich gegen Buchsbaumzünsler und Motten sind. Eine weitere Möglichkeit ist die Entwicklung resistenterer Buxus-Arten. Es wurden Sorten von Buxus sempervirens und Buxus microphylla getestet, aber es haben sich keine großen Unterschiede in der Resistenz gezeigt. Die Auswahl resistenter Sorten ist aufgrund des langsamen Wachstums von Buchsbaum zeitaufwändig.

Was die biologische Bekämpfung angeht ist Bacillus thuringiensis (BT) gut wirksam gegen die Larven des Buchsbaumzünslers. „Es ist effizient bei jungen Larven. Der eigentliche Vorteil ist, dass 80 Prozent der Larvenpopulaton abgetötet wurden, so dass weniger Generationen fliegen und sich vermehren können. Pheromonfallen können in Gärten eingesetzt werden, um Anpflanzungen zu überwachen und BT-Anwendungen zu planen“.

Über die Wirkung von Extrakten der Neem-Pflanze (Azadirachta indica) bei der Bekämpfung des Schädlings ist wenig bekannt, während Öle die auch gegen Schildläusde eingesetzt werden, wahrscheinlich die jungen Raupen schädigen.

Kenis schließt mit den Worten: „Unsere letzte Hoffnung ist die klassische biologische Bekämpfung mit Parasitoiden des Buchsbaumzünslers aus Ostasien. Die Finanzierung der erforderlichen Forschung ist eine Herausforderung. Buchsbaum fällt nicht unter die Land- oder Forstwirtschaft, weshalb sein Wert oft unterschätzt wird. Nach China zu reisen, um endemische Buchsbaumbestände zu untersuchen, ist ein kostspieliges Unterfangen. Glücklicherweise haben wir einige Literaturstudien durchgeführt und sind nach China gereist, wo wir unsere Untersuchungen auf die Städte beschränkten.

Hier sammelten wir an 114 Standorten in sieben Provinzen Larven, die im Labor aufgezogen wurden, um Parasitoide zu gewinnen. An 60 Prozent der Standorte sahen wir einen Buchsbaumzünsler, wobei der Parasitismus zwischen 0 und 50 Prozent lag. In Regionen, in denen der Buchsbaum einheimisch ist, war er höher. Insgesamt wurden neun Parasitoide gefunden, von denen Dolichogenidea sp. und Chelonus sp. – ein Eierlarvenparasitoid – die vielversprechendsten sind. In diesem Jahr hoffen wir auf zusätzliche Mittel, die es uns ermöglichen werden, weitere Forschungen in Japan und Korea durchzuführen.

 

 

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